Zur Geschichte der Turnbewegung in Hagsfeld

Die nachstehende Chronik des ehemaligen Turnvereins erhebt keinen Anspruch auf eine lückenlose Darstellung. Das Schrifttum des Vereins, z. B. die Protokollbücher, die eine vollständige Geschichtsschreibung ermöglicht und erleichtert hätten, sind im Jahre 1944 im zweiten Weltkrieg, bei einem Luftangriff durch Brandbomben vernichtet worden.

So wurde alles aus dem Gedächtnis wiedergegeben und wenn deshalb manches Erwähnenswerte unberücksichtigt blieb, lag darin keine böse Absicht, sondern nur das (subjektive) Unvermögen, alle Einzelheiten eines 90 Jahre währenden Zeitraumes sich in das Gedächtnis zurückzurufen. Manches blieb Stückwerk, weil der Tod in diesen neun Jahrzehnten zahlreiche Turnbrüder für immer verstummen ließ, die uns gewiss in vielen der Vorgeschichte anheimgefallenen Dingen hätten Aufschluss geben und damit zu einer Vervollständigung der Vereinschronik hätten beitragen können.

Das Wiedererinnerte möchten wir jedoch wie folgt zusammenfassen:

Der eigentliche Gründer des Turnvereins war der im Jahre 1953 verstorbene Schriftsetzer und nachmaliger Korrektor Ludwig Reißle. Auf sein Betreiben hin fand im Jahre 1895 im damaligen „Gasthaus zum Hirsch“ eine Versammlung statt, in der die Gründung des Turnvereins beschlossen wurde. An der Gründungsversammlung nahmen teil: Ludwig Reißle, Friedrich Linder, Friedrich Martin Pallmer, Eduard Strenger, Ernst Linder, Gustav Ott, Wilhelm Weber, Wilhelm Ott senior und Eduard Pallmer.

Reißles Initiative war es auch zu verdanken, dass alsbald nach der Vereinsgründung als erstes Gerät ein Barren zum Preis von 120 Goldmark durch freiwillige Spenden der inzwischen auf 45 Mitglieder angewachsenen Turnerschaft angeschafft werden konnte.

Der Turnbetrieb konnte nunmehr an diesem Gerät beginnen. Als Turnwart bestellte sich der Verein den turnerischen Fachmann Bernhard Schwarz, der den Turnbetreib die ersten 5 Jahre leitete. Bald darauf wurde eine Reckstange angeschafft und an den bereits im Garten des Gasthauses zum Hirsch aufgestellten zwei starken Holzpfosten angebracht. Damit konnte das Turnen auch auf Übungen am Reck erweitert werden.

Direktor Maul von der Landesturnanstalt schenkte dem jungen Verein ein vom Schulturnen ausrangiertes altes „dickes“ Pferd, sodass jetzt auch mit dem Pferdturnen begonnen werden konnte. Allerdings hieß es auch hier: aller Anfang ist schwer, umso mehr, als kein einziges Mitglied turnerisch ausgebildet war. Ganz einfache Übungen, bei denen aber von vornherein auf gute Haltung gesehen wurde, waren die ersten Disziplinen. Am Barren ein- und ausspreizen, leichte Schwünge, Stützübungen und im weiteren Verlauf dann auch Schulterstände. In gleicher Weise ging es an den beiden anderen Geräten vor sich. Die Leistungen wurden aber zusehends besser, so dass schon bald in drei Stufen, Ober-, Mittel- und Unterstufen geturnt werden konnte.

Das erste Gauturnfest

Beim Gauturnfest in Mühlburg im Jahre 1896 errangen sich bereits zwei Turner im Einzelwettkampf am Barren Kränze und der ganze Verein beteiligte sich mit 16 Turnern am Vereinswettkampf mit gutem Erfolg. Im gleichen Jahr hielt der Verein auch ein Zöglings-Wettturnen ab, aus dem die Zöglinge Herrmann Weber und Ernst Erb als Sieger hervorgingen.

Nebenbei wurde auch das Wandern, meist in der näheren und weiteren Umgebung von Karlsruhe gepflegt. Als Wandertag wurde der Himmelfahrtstag eines jeden Jahres bestimmt.

Die Raumfrage lies ein Verbleiben des Vereins auf weite Sicht im „Hirschen“ nicht zu, weil außer dem Turnverein noch zwei weitere Vereine den damals einzigen Saal benutzten.

Von 1897 bis 1898 verlegte der Verein seinen Sitz in das Gasthaus „Zur Krone“. Aber auch hier verblieb der Verein nur kurze Zeit, weil der Saal zu nieder und deshalb für turnerische Zwecke ungeeignet war. Inzwischen wurden auch Verhandlungen gepflegt mit dem Landwirt August Malsch, der sich zum Bau einer Halle entschloss.

Am 8. Mai 1898 fand dann der letzte Umzug ins Gasthaus Lamm statt. Jetzt erst war die Grundlage für einen weiteren Aufbau des Vereins geschaffen und konnten alle Disziplinen aufgenommen werden.

Die vorzügliche Leitung des Turnwartes Bernhard ermöglichte es dem Verein, an dem Kreisturnfest in Neustadt (Haardt) im Jahre 1899 mit einer 18 Mann starken Vereinsriege teilzunehmen und zwar mit gutem Erfolg. Der seitherige Turnwart Bernhard schied am Ende des Jahres 1900 aus. Von da ab wurde der Turnbetrieb von dem damals 21-jährigen Mitglied Gustav Nerding geleitet.

Das im Jahre 1902 stattgefundene Kreisturnfest in Pforzheim konnte mit einer 24 Mann starken Vereinsriege besucht werden. Der Verein schnitt hierbei mit der Note „sehr gut“ ab.

Gauturnfest in Hagsfeld

Ein Höhepunkt der Vereinsgeschichte bildete das Jahr 1906, in welchem dem Verein das Gauturnfest übertragen wurde. Der 30. Juni 1906, an dem das Gauturnfest stattfand, wurde zu einem Festtag für die ganze Gemeinde, die sich an der Ausschmückung der Häuser freudig beteiligte und an der Veranstaltung lebhaften Anteil nahm. Sämtliche Vereine des Karlsruher Turngaues waren zu dieser turnerischen Schau vollzählig angetreten.

Einen solchen Festzug hatte die Gemeinde bis dahin noch nicht gesehen. Das Fest selbst wickelte sich dank der guten Vorbereitungen des Turnvereins reibungslos ab und nahm einen ruhigen von echt turnerischem Geiste getragenen Verlauf, was auch vom Gauvorstand rühmlich hervorgehoben wurde.

Das Jahr 1906 war auch wirklich der Höhepunkt des Vereins selbst. Dennoch im gleichen Jahre traten auch innerhalb der Gemeinde die damaligen sozialen Spannungen und deren politische Auswirkungen auf, die sich auch stark auf den Turnverein auswirkten.

Zwei Vereine

Sie führten im Jahre 1907 dahin, dass von vielen Mitgliedern ein Antrag auf Übertritt des Vereins in den Arbeiterturnerbund gestellt wurde. Der Antrag wurde abgelehnt, aber der Verein verlor hierbei zahlreiche Mitglieder, die sich in der nachmaligen „Freien Turnerschaft“ zusammenschlossen, somit bestanden nun zwei Turnvereine in Hagsfeld, beide mit annähernd gleicher Mitgliederzahl. Es sei aber gleich hervorgehoben, dass das Verhältnis der beiden Brudervereine zueinander nie ernstlich getrübt war. Allerdings hat die Trennung keinem der beiden Vereine zum Vorteil gereicht. Die „Freie Turnerschaft“ bezog Quartier in dem Gasthaus „Zum Bahnhof“.

Bis zum Jahre 1914 ergänzte sich die Mitgliederzahl jeweils in beiden Vereinen durch den Eintritt der kurz vor dem Militärdienst stehenden jungen Männer. Geübte Turner waren nämlich beim Militär bevorzugt und genossen manche Erleichterung beim Militärdienst. Dies wurde aber von 1914 an – dem Ausbruch des ersten Weltkrieges - anders. Der Turnverein verlor in diesem Weltkrieg 19, die Freie Turnerschaft 17 Mitglieder.

Da es sich um lauter aktive Turner handelte, wurde der Turnbetrieb in beiden Vereinen durch diesen Aderlass stark beeinträchtigt. Da gleich bei Kriegsausbruch im Jahre 1914 und zu Anfang des Jahres 1915 zahlreiche Turner zum Heeresdienst eingezogen wurden, kam der Turnbetrieb in beiden Vereinen bereits im Jahre 1915 zum Erliegen, lediglich waren es nur noch jüngere Leute, die aus der Schule entlassen wurden, mit denen man den Turnbetrieb noch aufrecht hielt. Man hoffte jedoch, nach Kriegsende alsbald den Betrieb wieder vollzählig aufnehmen zu können, doch wurden beide Vereine in dieser Hoffnung enttäuscht.

Unmittelbar nach dem katastrophalen Kriegsende im Jahre 1918 setzte nämlich eine Hungerszeit ein, die alle Voraussetzungen für eine normale Ausübung der Leibesübungen, wie sie in den Turnvereinen betrieben wurden, von vornherein zerstörten. Erst nach Eintritt besserer Lebensbedingungen konnte der Turnbetrieb wieder voll aufgenommen werden. Die Reihen der Turner hatten sich aber so stark gelichtet, dass zwecks weiterer Belebung des Turnbetriebes in beiden Vereinen im Jahre 1921 besondere Turnerinnen-Abteilungen eingeführt wurden. Diese Abteilungen wurden durch ihren Fleiß und ihr lebhaftes Interesse an den Leibesübungen zu einem wesentlichen Faktor im Turnbetrieb. Es gab keine Veranstaltung beider Vereine, denen die Turnerinnen nicht viel zum Gelingen der Feste beigetragen hätten.

Das Frauenturnen in der nunmehr gezeigten Form – früher wurden nur Tanz und Reigen eingeübt – fand in der Gemeinde lebhaften Anklang. Das Interesse für die Turnerei ist nach dem ersten Weltkrieg stark beeinträchtigt worden. Mancher hoffnungsvolle Turner hat sich aktiv nicht mehr beteiligt. Auch ist in der Mitgliederzahl hüben wie drüben nahezu ein Stillstand eingetreten. Dabei blieb es bis zum Jahre 1933.

Schon bald nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933 wurde die Freie Turnerschaft aufgelöst, die Turngeräte wurden beschlagnahmt und enteignet. Ein Barren wurde dem Turnverein zugeteilt. Einige Mitglieder der freien Turnerschaft traten dem Turnverein als aktive Turner bei.

Die Gleichschaltung

Die in der Deutschen Turnerschaft vereinigten Vereine, zu denen auch der Turnverein zählte, blieben zunächst unangetastet. Sie wurden jedoch nach geraumer Zeit dadurch gleichgeschaltet, dass die Deutsche Turnerschaft insgesamt in den nunmehr eingerichteten Reichsbund für Leibesübungen eingegliedert wurde. Diese Gleichschaltung hat keine Freude im Turnverein ausgelöst, umso mehr als ihm die Jugend nach und nach durch die Hitlerjugend und den Bund deutscher Mädchen entzogen wurde.

Um den Turngedanken im Sinne des Turnvaters Jahn wach zu halten und den jüngeren Turnern einen Ansporn zu geben, wurden die Alten aufgerufen, die dann an den regelmäßigen Turnstunden teilnahmen, in einer besonderen Altmännerriege. In den letzten Jahren vor Beginn des 2. Weltkrieges wurde auch eine Extra-Abteilung für Frauengymnastik gegründet, waren es bisher hauptsächlich junge Mädchen bei den Turnerinnen gewesen.

Inzwischen warf der 2. Weltkrieg seine Schatten voraus. Das gesellschaftliche Leben wurde von der allgemeinen Sorge um die Zukunft unseres Volkes und Vaterlandes ausgelöscht. Obwohl im Herbst 1939 noch keine größeren Kampfhandlungen stattfanden, musste der Turnbetrieb – zunächst wegen des kalten Winters 1939/1940 bereits im Dezember 1939 eingestellt werden.

Das Vorhaben, mit Eintritt der wärmeren Jahreszeit im April 1940 den Turnbetrieb wieder voll aufzunehmen, konnte nicht verwirklicht werden, weil alsdann auch die technischen Leiter des Turnvereins zur Wehrmacht einberufen wurden. Lediglich die jüngeren Turnerinnen machten bis etwa 1942 weiter. Was nun folgte war ein Leben zwischen Hangen und Bangen, ein Leben voll Trauer und Leid. Von Jahr zu Jahr steigerten sich die Schrecken des furchtbaren und unglücklichen 2. Weltkrieges.

Das „bittere“ Ende

In die Geschichte der ganzen Gemeinde Hagsfeld ist der 25. April 1944 eingegangen. An diesem Tage wurde ein Großteil der Gemeinde durch Brand- und Sprengbomben in Schutt und Asche gelegt. Auch das Vereinsheim des Turnvereins, die Gastwirtschaft zum „Lamm“ samt Turnhalle, ging bei diesem Luftangriff in Flammen auf. Hierbei wurden auch alle in der Turnhalle des Vereinsheims aufbewahrten Turngeräte ein Raub der Flammen. Unversehrt blieben nur 2 Barren, 1 Reck, 1 Pferd, 1 Federsprungbrett und 2 Sprung-Ständer die in dem auf dem Sportplatz des Turnvereins erstellten Geräteschuppen untergebracht waren. Das war das Ende des Turnvereins, noch bevor der Verein aufgrund der Kontrollrats-Direktive Nr. 13 im Jahre 1945 aufgelöst wurde.

Geschichte der Vereinigten Turnerschaft e.V. Karlsruhe-Hagsfeld

Der deutsche Sport ist durch den Hunger und das Elend der Nachkriegsjahre in seiner Entwicklung gehemmt worden. Vier Jahre gingen ins Land, bis die Lähmung alles gesellschaftlichen Lebens mit der allmählichen Besserung der Lebensbedingungen überwunden und der Gedanke der Wiederaufnahme des Turnbetriebes in der Gemeinde erwogen werden konnte. Jedem Einsichtigen war klar, dass die Turner künftig nicht mehr getrennt marschieren konnten. So wurde manches Vorurteil und alle gegensätzlichen früheren Standpunkte aufgegeben und nur dem einen Gedanken gehuldigt:

„Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit.“

Am 11. Oktober 1949 wurde vom damaligen Spartenleiter „Turnen“ des ASV, Robert Fischer, eine Versammlung der früheren Turner einberufen, zum Zweck der Neugründung eines Turnvereins. Die Einberufung wurde auf einer 8 Tage vorher stattgefundenen Zusammenkunft beschlossen, bei welcher wegen der geringen Teilnehmerzahl keine weiteren Beschlüsse gefasst werden konnten.

An der Gründungsversammlung am 11. Oktober 1949 nahmen teil: Robert Fischer, Max Strenger, Peter Witt, Wilhelm Hemberle, Karl Schucker, Wilhelm Fischer, Alwin Wurm, Trudel Schlimm, Rudolf Schork, Walter Schork, Wilhelm Wurm, Wilhelm Martin, Robert Walther, Karl Linder, Berthold Fries, Hermann Mitschele, Oskar Rausch, Adolf Kastner, Wilhelm Ott, Kurt Reeb, Edmund Wolf, Ludwig Reeb, Kurt Schell, Fritz Hörr. Die Versammlung wurde von Robert Fischer geleitet.

Nachdem der Turnbetrieb nahezu 10 Jahre unterbrochen war, musste zuerst wieder das Interesse an der Ausübung des Turnsportes geweckt werden. Es war klar, dass man vor allem feststellen musste, ob überhaupt noch geeignete Kräfte zur Leitung des Turnbetriebes vorhanden und bereit wären. Die Turnwartfrage war also vordringlich. Nach längerer Aussprache wurden einstimmig gewählt: als Männerturnwart Wilhelm Ott, als stellvertretender Männerturnwart Oskar Rausch, Jungenturnwart Edmund Wolf, als Frauen-Turnwartin Trudel Schlimm (später verh. Dravnieks).

Neugründung

Nun trat man der Frage nach der Neugründung näher. Der Antrag, das Turnen in einer besonderen Turnabteilung des ASV aufzunehmen, wurde abgelehnt, dagegen die Neugründung eines Turnvereins beschlossen, dem man einstimmig den Namen „Vereinigte Turnerschaft“ gab.

In den Turnrat wurden vorläufig noch gewählt: als 1. Vorstand Hermann Mitschele, als 2. Vorstand Max Strenger, als Kassenleiter Peter Witt und als Schriftführer Walter Schork.

Als Rechtsnachfolger des ehemaligen Turnvereins e.V. Hagsfeld bzw. der ehemaligen Freien Turnerschaft Hagsfeld, erhob die neu gegründete Vereinigte Turnerschaft Hagsfeld Anspruch auf Rückgabe der aus dem Vermögen des ehemaligen Turnvereins, bzw. der Freien Turnerschaft noch vorhandenen, im Besitze des ASV Hagsfeld sich befindlichen Turngeräte. Weiterhin beanspruchte die Vereinigte Turnerschaft den ehemaligen Sportplatz des Turnvereins sowie dessen Geräteschuppen. All diese Fragen wurden dank des Entgegenkommens des ASV Hagsfeld zufriedenstellen gelöst.

Keine Turnhalle

Mangels eines geeigneten Turnsaales (die früher als Turnhallen dienenden Gebäude waren zerstört oder teilweise stark beschädigt) musste zunächst in einem Schulkeller geturnt werden. Das war allerdings keine Ideallösung. Die Turnstunden wurden gut besucht und so war der Schulkeller für einen solchen Betrieb nicht nur zu klein, sondern auch vom gesundheitlichen Standpunkt aus gesehen auf die Dauer unzweckmäßig.

Der Bahnhofsaal

Bei der ersten Turnstunde am 14. November 1949 waren 17 Turnerinnen und am 15. November 1949 waren bereits 38 Turner anwesend. Der Turnbetrieb wurde deshalb sofort nach der provisorischen Fertigstellung des Saales der Bahnhofswirtschaft dahin verlegt. So konnte sich der Turnbetrieb besser entfalten.

Das verhältnismäßig rasche Anwachsen der Vereinigten Turnerschaft ist auf eine planmäßig durchgeführte intensive Werbeaktion zurück zu führen. So zählte die Turnerschaft bereits einen Monat nach ihrer Gründung schon 114 Mitglieder.

Planung einer eigenen Halle

Im März 1950 beabsichtigte man eine etwa 20 m lange und jederzeit erweiterungsfähige Hütte als vorläufiges Turnerheim zu erstellen. Zu diesem Zweck war vom Sport–Toto ein Darlehen in Höhe von 3.000 DM in Aussicht gestellt. Die Hütte sollte auf dem Sportplatz des ehemaligen Turnvereins aufgestellt werden, mit dessen Neuanlage die Turner begonnen hatten. Nachdem aber auch die Stadtverwaltung und die Schulbehörde wegen des Schulturnens ihr Interesse an einer Turnhalle zeigten, lies man den Hüttenbaugedanken fallen und entschied dich für den Bau einer Turnhalle. Für die Planung und Durchführung des Baues wurde ein besonderer Ausschuss gebildet in folgender Zusammensetzung.

Architekt Eugen Ruch, Turnbruder Oskar Wolf, Turnbruder Fritz Kastner, Turnbruder Peter Witt (Kassier).

Ursprünglich wollte man sich mit einem 12 x 10 m großen Bau begnügen. Da aber nunmehr auch von der Stadtverwaltung mit einem größeren verlorenen Zuschuss gerechnet werden konnte, entschied man sich endgültig für eine Gesamtlänge von 24 m und eine Hallenbreite von 10 m.

Erfreulicherweise wurden der Turnerschaft über die Schule verschiedene Turngeräte zur unentgeltlichen Benutzung überlassen, sie verblieben aber im Schuleigentum.

Das Bauvorhaben wurde aber entscheidend auch von unserem damaligen Kreisvorsitzenden Turnbruder Otto Landhäußer (27.07.1893 - 26.11.1977), der im Regierungspräsidium für das Land Baden tätig war, unterstützt. Der Haushaltsplan der Stadt Karlsruhe für das Jahr 1950 sah keine Mittel für derartige Baudarlehen vor. Dagegen wollte die Stadt wegen des Schulturnens Mieter werden. Die Schulturnstunde wird mit 63 bzw. 64 Pfennig vergütet. Bei dieser Sachlage schlug Turnbruder Landhäußer im Sportausschuss des Stadtrates (der das Bauvorhaben schon wegen des Schulturnens ebenfalls befürwortete) vor, die Stadt möge für 20 Jahre die Miete im Voraus bezahlen. Dem Vorschlag wurde stattgegeben.

Die Finanzierung

Damit stand der Turnerschaft mit Toto-Lotto und Eigenarbeit der Betrag von 25.000 DM für den Bau der Turnhalle zur Verfügung. War man bisher – bis zur Klärung der Finanzfrage – in seinen Beratungen und letzten Beschlüssen vielfach gehemmt, so konnte nunmehr das endgültige Planen abgeschlossen und mit dem Turnhallenbau begonnen werden.

Eigenarbeit

Die Mitglieder wurden aufgerufen und viele Turner und auch Turnerinnen kamen. Mit Schaufel und Pickel rückten sie an und huben die große Baugrube aus. Als dies geschehen, griffen sie unter fachmännischer Leitung auch zur Kelle und Hammer und stellten den Rohbau der Turnhalle in vielen hundert freiwillig geleisteten Tagewerken fertig. Diesem schönen Beispiel folgten selbst die Landwirte unserer Gemeinde, die freiwillig mit ihren Gespannen Baustoffe, Auffüllmaterial und dergleichen herbeischafften. Ebenso wirkten auch die Maurermeister Hermann Wolf sen. und Erwin Seiter in uneigennütziger Weise mit, indem sie ihre Geräte unentgeltlich zur Verfügung stellten und auch selbst mit Hand anlegten. Dass der Bauausschuss und Turnrat in der Zeit des Turnhallenaufbaues vor viele Fragen gestellt wurde und ein großes Arbeitspensum zu bewältigen hatte, sei rühmend erwähnt.

Ein Mann aber hat sich besonders um den Turnhallenbau verdient gemacht, der inzwischen verstorbene Blechner– u. Installateurmeister Oskar Wolf. Er war die treibende Kraft, wenn die Turnbrüder in der freiwilligen Aufbauarbeit ermüden wollten. Er setzte zugunsten des Hallenbaues selbst seine eigentlichen Geschäftsinteressen hintenan und bemühte sich ständig um die Planung, Finanzierung und Erweiterung. Auch die hauptsächlichsten Verhandlungen mit der Baubehörde hat er geführt. Dies alles zu einer Zeit, als schon ein unheilbares Leiden an seinem Lebensmark zehrte.

Am 12. April 1953 konnte er mit berechtigtem Stolz darauf hinweisen, dass die von den Turnern geleistete Eigenarbeit beim Bau der Turnhalle sich auf ungefähr 20.000 DM belaufe. Die Turner aber hatten sich damit für alle Zeiten ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Vereinigten Turnerschaft Hagsfeld erworben.

Im eigenen Heim

Die am 30. und 31. Mai 1953 vollzogene Hallenweihe konnte Oskar Wolf nicht mehr besuchen. Die Vereinigte Turnerschaft hat zu seinem ehrenden Andenken auf der Stirnseite der Turnhalle (Ostseite) einen Gedenkstein mit der Aufschrift anbringen lassen: „Die Halle wurde unter Leitung von Oskar Wolf in Gemeinschaftsarbeit erbaut 1953“. (Anm.: seit 1984 ist diese Platte innerhalb der kleinen Sporthalle = Saal der Hagsfelder Stuben® angebracht)

Reges Interesse für die Finanzierung des Hallenbaues zeigte auch Stadtrat Fritz Meinzer, der im Sportausschuss des Stadtrates die Belange der Vereinigten Turnerschaft nachdrücklich vertrat, sowie Gemeindesekretär Wilhelm Knobloch, der dem Turnrat in dieser Hinsicht ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite stand.

Einweihung

Dank der finanziellen Unterstützung durch die Stadtverwaltung wurde der Ausbau der Turnhalle so beschleunigt, dass die Weihe der Halle – wie schon erwähnt – am Abend des 30. Mai 1953 mit einem Festbankett vorgenommen bzw. eingeleitet werden konnte. Der damalige erste Vorstand der Vereinigten Turnerschaft Reinhold Schlimm, begrüßte in der überfüllten Turnhalle alle Mitglieder, Gäste und Ehrengäste, unter Letzteren besonders den Vertreter des Oberbürgermeisters der Stadt Karlsruhe, Herrn Dr. Emil Gutenkunst, den Vorsitzenden des Karlsruher Turnkreises, Herrn Regierungsrat Otto Landhäußer, sowie den Vorsitzenden des Badischen Fußballverbandes, Fritz Meinzer.

Die beiden örtlichen Gesangvereine Liederkranz und Frohsinn trugen durch Liedvorträge wesentlich zur Verschönerung des Weihe-Aktes bei. Die Festfreude war groß, als Herr Gutenkunst der Vereinigten Turnerschaft als Weihegeschenk der Stadtverwaltung den Betrag von 1.000 DM in Aussicht stellte. Es sei hinzugefügt, dass Herr Gutenkunst auch tatsächlich sein Wort hielt. Der Kreisvorsitzende Otto Landhäußer sprach über die Turnideale und hob hervor, dass der Lebenszweck nicht nur Arbeit, sondern auch Freizeit ist, bei der das Turnen und der Sport allgemein einen hervorragenden Platz einnehmen. Anschließend nahm er die Ehrung einiger verdienstvoller Turner vor. Stadtrat Fritz Meinzer mahnte zu friedlichem Zusammenarbeiten der örtlichen Sportvereine.

Das verlorene Vermögen der „Freien Turnerschaft“ wurde der „Vereinigten Turnerschaft“ im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens weitgehend entschädigt und das Gelände, auf dem das Gebäude steht, von der Stadt Karlsruhe in Eigentum übergeben. Auch für die verlustig gegangenen Geräte wurde in einem Wiedergutmachungsverfahren gegen das Land Baden-Württemberg Entschädigung geleistet.

Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit

Vieles wurde erreicht und geschaffen durch „Aller“ Zusammenarbeit. Doch ein alter Turnerspruch sagt: „Wer rastet, der rostet“. So wurde der Anbau eines Geräteraumes, Duschbad, Geschäftszimmer, Umstellung von Koks- auf Ölheizung durchgeführt. Bereits heute zeichnet es sich ab, dass wir in der Turnhalle aus allen Nähten platzen. Die Verwaltung hat sich hierüber bereits Gedanken gemacht und die Vorbereitungen eingeleitet. Es geht hier um den Neubau einer Sporthalle, Umbau unserer Turnhalle und Wirtschaftsräume auf den neuesten Stand. Es soll hier kein Stückwerk geschaffen werden, sondern etwas „Ganzes“ was auch in die Zukunft reicht.

Die „Neue Sporthalle“

Der Trend, sämtliche Ballspiele auch im Winter zu üben und zu trainieren und Wettkämpfe austragen zu können, gab den Anlass, dass die Jahreshauptversammlung 1974 der Vorstandschaft „grünes Licht“ gab zur Erstellung einer neuen, allen Anforderungen gerecht werdenden Sporthalle, zu der am 15. März 1975 der Grundstein gelegt wurde. Die Grundsteinlegung selbst nahmen der Hagsfelder Stadtrat und Vorsitzende der Bürgerkommission, Fritz Meinzer, mit dem 1. und 2. Vorsitzenden der VTH, Günter Bausch und Bernd G. Weber vor.

Mit dem Projekt hat die Vereinigte Turnerschaft e.V. neue Maßstäbe für die Zukunft gesetzt. Das hohe Maß an Verantwortung für den Breitensport war der Anstoß zu diesem Vorhaben, neben den zuschussfreudigen Institutionen des Landes und der Stadt Karlsruhe.

Die Einweihung der neu geschaffenen Sporthalle konnte am 21. September 1979 unter Beteiligung der gesamten Hagsfelder Bevölkerung (alle Vereine) erfolgen. Der seinerzeitige VTH-Vorsitzende Günter Bausch konnte das großartige Werk der VTH nach einer Bauzeit von vier Jahren zum Wohle aller Bürger in Anwesenheit von Prominenz aus Stadt (Oberbürgermeister Otto Dullenkopf), Land Baden-Württemberg (Justizminister Traugott Bender), Politik und Vereins-Abordnungen und Bürgerschaft der Öffentlichkeit übergeben.

Die neue „alte“ Turnhalle

Nachdem die große Sporthalle mit ca. 1.200 qm (ohne Geräte- und Umkleideräume und die in den Komplex integrierte neue VTH Geschäftsstelle) zu einem deutlichen Aufschwung der Mitgliederzahlen führte, galt es nun erneut eine weitere Baumaßnahme in Angriff zu nehmen.

Die alte (kleine) Sporthalle und die dazugehörige traditionsreiche Turnhallengaststätte genügten in keiner Weise mehr den heutigen Ansprüchen unserer Mitglieder wie auch der Gäste. Überall war zu erkennen, dass die Planungen der 50er Jahre einen solchen sportlichen und wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land und in Hagsfeld nicht voraussehen konnten. Kurzum, die Halle und auch die Gaststätte waren mehr als nur renovierungsbedürftig. Überlegungen gingen vom totalen Abriss bis zum weitreichenden Aus- und Umbau. Aus Kostengründen und auch wegen der noch relativ guten alten Bausubstanz entschloss sich die VTH-Verwaltung, den Aus- und Umbau in drei Bauabschnitten durchzuführen. Die Planung und Ausführung und die erforderliche Bauaufsicht verlangte von den Beteiligten große Anstrengungen und Opfer, die z. T. bis in den persönlichen und familiären Bereich gingen.

Es gelang, den Umbau dieses Projektes Ende 1982 zu beginnen und im September 1984 mit einem offiziellen Festakt die „neue alte Halle“ und die vereinseigene Gaststätte Hagsfelder Stuben® einzuweihen. Der VTH-Vorsitzende Bernd G. Weber konnte der großen Zahl erschienener Ehrengäste mit Stolz vorführen, wie sinnvoll und umsichtig die VTH in den letzten zehn Jahren deutlich über 3 Millionen DM in Gebäude und Sportanlagen investiert hat. Angesichts der doch noch bescheidenen Größe des Vereins gilt dieses Investitionsvolumen in Stadt- und Landkreis als beispielhaft. Wir sind das Wagnis gewaltiger Investitionen und auch der Folgekosten eingegangen, aber eines muss klar zum Ausdruck gebracht werden: ohne das große Engagement der VTH gäbe es heute keine (Sport-)Halle dieser Größe in Hagsfeld.

Unser in diesem Jahr das 125-jährige Jubiläum feiernde Verein kann mit Stolz und Genugtuung auf das in den letzten Jahrzehnten geschaffene Sportzentrum verweisen, benötigt aber nun dringend eine längere Konsolidierungsphase, sozusagen eine „Verschnaufpause“. Es bedarf jedoch intensiver gemeinsamer Anstrengungen der Verwaltung und aller Mitglieder, um das Geschaffene zu erhalten!

Im Personalbereich, bei der Bereitschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit, sind künftig die größten Probleme zu bewältigen.