
Als ich neulich wieder bei Opa im Altenheim war, ging’s wie immer los: Kaffee zu heiß, Gebiss zu locker und die Geschichten zu schön, um wahr zu sein. Diesmal wollte er mir unbedingt vom „epischen Duell“ seiner VTHämmerz gegen den sogenannten NVV-Kader erzählen. Schon beim Namen wusste ich: Das kann nur wieder aus der Kategorie Alternative Fakten aus der goldenen Volleyball-Zeit sein.
Opa schwärmte von fliegenden Abwehrkünstlern, taktischer Raffinesse und „körperlicher Überlegenheit auf allen Positionen“. Ich nickte höflich, während ich mir vorstellte, wie die halbe Rentnertruppe schon nach dem Aufwärmen nicht mehr konnte. Doch plötzlich wurde Opa ganz ernst. Die Stirn zog sich zusammen, die Stimme wurde brüchig:
„Wir ham verloren, Bub! Gegen die Jungspunde vom NVV!“
Ich musste kurz schlucken. Normalerweise enden Opas Geschichten mit heroischen Fünf-Satz-Siegen und tosendem Applaus. Aber diesmal? Niederlage. Gegen Nachwuchsspieler, die gerade erst gelernt haben, was ein Sprungaufschlag ist.
„Woran hat’s gelegen, Opa?“, fragte ich, in der Hoffnung auf eine ehrliche Antwort.
„Na, die vom NVV, die ham doch alle erst vor Kurzem die Schule fertig! Die wachsen ja noch! Und wir – wir ham eher … nachgelassen. Außerdem war die Halle rutschig, das Licht zu grell, und der Schiedsrichter hat sowieso gegen uns gepfiffen.“
Ich konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen. „Und der junge Patrick aus eurer Mannschaft? Der, der beim letzten Mal noch so stolz seinen neuen Sprungaufschlag präsentiert hat?“
„Ja, ja … der Patrick“, murmelte Opa. „Hat nicht so gut angefangen, und so wirklich besser wurde es dann auch nicht. Aber einen tollen Ball hat er über den Block ins Feld geschlagen. Der hat aber leider nur einen Punkt gezählt. Vielleicht hätten wir mehr über Mitte spielen sollen.“
„Also war’s knapp, oder?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon ahnte.
„Knapp? Naja … sagen wir’s so: Auch wenn wir am Ende 3:0 verloren haben – jeder Satz war ganz knapp! Immer in der Verlängerung und immer nur zwei Punkte Abstand. Ein tolles Spiel!“
Ich nickte verständnisvoll. Typisch Opa: Selbst in der Niederlage noch ein kleiner Sieg – irgendwo tief im Herzen oder wenigstens auf dem Papier.
Als ich später aufstand, um zu gehen, rief er mir hinterher:
„Und das Beste habe ich dir noch gar nicht erzählt! Nach dem Spiel – die Duschen. Die hatten nicht mal Wasser! Mit Flaschen mussten wir uns duschen. Halbe Flasche kaltes und halbe Flasche warmes Wasser. So wie früher!“
Ich winkte nur und dachte mir: Bisher klang ja alles halbwegs realistisch, aber jetzt spinnt sich Opa wieder irgendwas zusammen. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch – wieder eine neue Geschichte, irgendwo zwischen Wahrheit, Fantasie und besonderen Dusch-Erlebnissen.